Die humoristische, politische Satire "Der Münchner im Himmel" (1911) stammt vom bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma. In ihr behandelt der Autor mit einem liebevollen Augenzwinkern das Klischee des typisch bayerischen, insbesondere des Münchner Grantlers (mürrische Grundstimmung).

Alois Hingerl, Nr. 172, Dienstmann in München, besorgte einen Auftrag mit solcher Hast, dass er vom Schlage gerührt zu Boden fiel und starb.

Zwei Engel zogen ihn mit vieler Mühe in den Himmel, wo er von St. Petrus aufgenommen wurde. Der Apostel gab ihm eine Harfe und machte ihn mit der himmlischen Hausordnung bekannt. Von 8 Uhr früh bis 12 Uhr mittags »frohlocken«, und von 12 Uhr mittags bis 8 Uhr abends »Hosianna singen«. - »Ja, wann kriagt ma nacha was z'trink'n?« fragte Alois. - »Sie werden Ihr Manna schon bekommen«, sagte Petrus.

»Auweh!« dachte der neue Engel Aloisius, »dös werd schö fad!« In diesem Momente sah er einen roten Radler, und der alte Zorn erwachte in ihm. »Du Lausbua, du mistiga!« schrie er, »kemmt's ös do rauf aa?« Und er versetzte ihm einige Hiebe mit dem ärarischen Himmelsinstrument.

Dann setzte er sich aber, wie es ihm befohlen war, auf eine Wolke und begann zu frohlocken:

»Ha-lä-lä-lä-lu-u-hu-hiah!«...

Ein ganz vergeistigter Heiliger schwebte an ihm vorüber. - »Sie! Herr Nachbar! Herr Nachbar!« schrie Aloisius, »hamm Sie vielleicht an Schmalzla bei Eahna?« Dieser lispelte nur »Hosianna!« und flog weiter.

»Ja, was is denn dös für a Hanswurscht?« rief Aloisius. »Nacha hamm S' halt koan Schmaizla, Sie Engel, Sie boaniga! Sie ausg'schamta!« Dann fing er wieder sehr zornig zu singen an: »Ha-ha-lä-lä-lu-u-uh - - Himmi Herrgott - Erdäpfi - Saggerament - - lu - uuu - iah!«

Er schrie so, dass der liebe Gott von seinem Mittagsschlafe erwachte und ganz erstaunt fragte: »Was ist denn da für ein Lümmel heroben?«

Sogleich ließ er Petrus kommen und stellte ihn zur Rede. »Horchen Sie doch!« sagte er. Sie hörten wieder den Aloisius singen: »Ha - aaaaah - läh - - Himml - Himml Herrgott - Saggerament - uuuuuh - iah!« ...

Petrus führte sogleich den Alois Hingerl vor den lieben Gott, und dieser sprach: »Aha! Ein Münchner! Nu natürlich! Ja, sagen Sie einmal, warum plärren denn Sie so unanständig?«

Alois war aber recht ungnädig, und er war einmal im Schimpfen drin. »Ja, was glaab'n denn Sie?« sagte er. »Weil Sie der liabe Good san, müaßt i singa, wia 'r a Zeiserl, an ganz'n Tag, und z'trinka kriagat ma gar nix! A Manna, hat der ander g'sagt, kriag i! A Manna! Da balst ma net gehst mit dein Manna! Überhaupts sing i nimma!«

»Petrus«, sagte der liebe Gott, »mit dem können wir da heroben nichts anfangen, für den habe ich eine andere Aufgabe. Er muss meine göttlichen Ratschlüsse der bayrischen Regierung überbringen; da kommt er jede Woche ein paarmal nach München.«

Des war Aloisius sehr froh. Und er bekam auch gleich einen Ratschluss für den Kultusminister Wehner zu besorgen und flog ab.

Allein, nach seiner alten Gewohnheit ging er mit dem Brief zuerst ins Hofbräuhaus, wo er noch sitzt. Die Bayerische Regierung wartet heute noch vergeblich auf die göttliche Eingebung.


Das Werk Ludwig Thomas wurde erstmals 1911 als Simplicissimus-Bilderbogen herausgebracht, gezeichnet von Olaf Gulbransson. Wegen des Schlusssatzes „… und so wartet die bayerische Regierung bis heute auf die göttlichen Eingebungen“ wurde Thoma zu einer Geldstrafe verurteilt.


Der Text der lustigen Geschichte steht auch als mustergültig gestaltetes PDF Der Münchner im Himmel zum Drucken bereit.

Dialekt

  • Dienstmann = Kofferträger auf dem Bahnsteig und im Bahnhof von München
  • frohlocken = lobsingen (Halleluja); der zweite Bestandteil "locken" geht wohl auf "löcken" in der ursprüngliche Bedeutung „vor Freude springen“ zurück
  • Hosianna = ein Fleh- oder Jubelruf an Gott (oder einen König); Bedeutung: „Hilf doch!“, oder „Hilf bitte!“
  • Manna = Himmelsbrot; die Speise, die den Israeliten auf ihrer 40-jährigen Wanderschaft durch die Wüste als Nahrung gedient haben soll
  • Roter Radler = Dienstmann mit Fahrrad vor dem Bahnhof; Konkurrenz der Dienstmänner auf dem Bahnsteig
  • Lausbua = Lausjunge, Flegel
  • ärarisch = zum Ärar gehörend: staatlich; von lateinisch aerarius‎ „die Schatzkammer betreffend“
  • ös = ihr
  • aa = auch
  • hamm = haben
  • Schmaizla = Schnupftabak
  • bei Eahna = bei sich
  • nacha = dann
  • koan = kein, keinen
  • Engel, boaniger = knochendürrer Engel
  • Engel, ausg’schamter = unverschämter Engel
  • Erdäpfi = Erdäpfel; Kartoffeln
  • Saggerament = Sakrament; eigentlich ein heiliger Ritus, jedoch auch ein schlimmer bairischer Fluch
  • plärren = schreien
  • glaab’n = glauben
  • Zeiserl = Zeisig, kleiner Singvogel
  • Balst ma net gehst! = Bleib mir vom Leib!
  • nimma = nicht mehr, nie mehr
  • Hofbräuhaus = Staatliches Hofbräuhaus in München. Die Sortimentsbrauerei stellt ober- und untergärige Biere her, die unter der Dachmarke "Hofbräu München" vertrieben werden

 

Ein Münchner im Himmel

Zeichentrickfilm (10 Minuten) aus dem Jahr 1962 (Sprecher: Adolf Gondrell, mit feinstem bayrischen Dialekt). Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte des bayerischen Schriftstellers Ludwig Thoma (1867 – 1821).

Die himmlische Hausordnung:
von morgens 8 Uhr bis mittags 12 Uhr: frohlocken (Halleluja)
von mittags 12 Uhr bis 8 Uhr abends: Hosianna singen.